JOHANNA      ZEUNER
ev.Theologin   pädagogin   autorin

Augustinerkirche, Gotha 1999

Zu Johannes 20, 19-29



Liebe Gemeinde,                                                                         


Jesus betritt den Raum. Schweigen. “ Friede sei mit Dir, und mit Dir und mit Dir auch“.

Durch die Tür tritt er - durchbricht das Schweigen. Shalom.

Er tritt in ihre Mitte, trifft unter ihnen ein.

Kaum bemerkt, unbemerkt deutlich.

Der Gruß, den sie kennen,

heute bedeutet er mehr.

Friede sei mit Euch - mit uns ?

„Unfriede herrscht auf der Erde“ lautet ein altes Kirchentagslied, das wohl auch in diesem Jahr gesungen wird.

„Den Frieden lasse ich Euch, meinen Frieden gebe ich Euch“ spricht der johanneische Christus.

Meinen Frieden ? Meint Christus einen anderen Frieden? Fast bleibt es mir wegen der Welt-Lage irgendwo herrscht immer Krieg im Hals stecken:

 Er meint einen Osterfrieden.

Den Frieden meint er, der auf der „Auferstehungstatsache“, der auf dieser Tat und Sache ruht, dass Christus auferstanden ist.

 

„Friede sei mit Euch“ - wie wohl tut dieser Satz, und doch liebe Gemeinde - das ist schwer, Bilder vor Augen vom Krieg, innere wie äußere, da bin ich Thomas - wie soll ich das glauben?

Und doch, Shalom, das ist eine Zusage, keine Beschwichtigung. Hier spricht der Auferstandene, der, der um den Tod weiß, der, der die Fesseln der Zeit zerriss.

 

Jesus betritt den  Raum mit einem Friedensgruß, voll und mächtig. An diesem Gruß beginnen ihn die Jünger zu erkennen. Er hält ihnen seine Hände hin.

Das sind:

Segenshände. Verletzte Hände. Erhöhte Hände.

In seine offen Wunden

da hinein dürfen sie sehen -

darin: den Frieden  begreifen.

 

Der Jesus, der hier in die Gemeinde tritt ist Christus - er

 hat eine neue Qualität.

Denn er hat den Tod  überwunden, und : uns frei gemacht.

 

 Ein Mächtiger - nicht von dieser Welt.

tritt durch verschlossene Türen,

er kommt, von draußen: „Herein“.

Er hat nur eine Botschaft, Shalom das meint

den Frieden.

Den Frieden, der in der Vergebung liegt -

und den gibt er weiter.

Er wandelt die Furcht der Jünger in Freude. Er bläst sie an mit seinem Geist,

leibhaftig wahrhaftig ,

er bleibt noch eine Zeit, bei denen, die ihn verließen.

Er begabt seine Jünger mit dem heiligen Geist. Er macht sie zu begabten Vergebern. Auch uns macht er dazu.

Vergebung ! Das finde ich interessant, liebe Gemeinde. Sind  wir es noch gewohnt zu verzeihen? Unsere zwischenmenschlichen Beziehungen sind so will es manchmal scheinen verkühlt, die Wärme der Vergebung? mag uns fremd geworden sein!

Ganz überrascht sind wir häufig, wenn sich ein Mensch bei uns entschuldigt.

„Das ist Vergebung, das wird der wahre Friede sein“ heißt es in einem modernen Kirchenlied. -Ja vielleicht hätte das Sprengkraft, wenn wir verzeihen - mit einem Osterlachen vielleicht - ja, vielleicht würde das Verzeihen uns befreien.

 

Quasimodogeniti. Wie die neugeborenen Kinder, so heißt dieser Sonntag. Wie die neugeborenen Kinder, das meint die Ostertäuflinge..... Weißer Sonntag. Wie die neugeborenen Kinder, das meint auch uns, der Rest der Gemeinde. Befreit von dem, was auf unserer Seele lag, befreit vom Eis unserer Sünde.

Sich auf den Weg machen, einen Osterweg, einen Freudenweg, das ist jetzt unsere Aufgabe.

Und doch, da ist noch Thomas. Thomas, der Ungläubige, der Zweifler, der Nachzügler.

Wer ist er? Sind wir Thomas?

 

 

(Bild – Ernst Barlach. Jesus und Thomas)

 

Er zweifelt, er sucht und er tastet.

Er will alles begreifen, aber schnell und sofort.

Beweisen muss ihm Jesus wer er ist.

Thomas kommt zu spät, und doch das Leben, sprich Jesus, bestraft ihn nicht, es belehrt ihn allenfalls. Thomas sieht den Auferstandenen und begreift.

Kennen wir das? Kennen wir Thomas? Dies alles sehen wollen und fühlen?

Thomas will genau wissen, was Sache ist. Es genau wissen wollen- nicht einfach nur hinnehmen und glauben. Hat das Sinn?

 

Thomas will in die Wunde sehen.

Wir leben im bunt blutigen Trubel der Medien. Die Wunden dieser Zeit offen werden sie uns gezeigt, täglich. Viel zu offen, vielleicht.

So genau wollten wir eigentlich gar nicht hinschauen. Und doch vielleicht sollten wir es manchmal, so denke ich.

Es ist nicht leicht im Medientrubel. Aber nicht nur heute hält man die Kamera drauf, schaut man sich mittelalterliche Kreuzesdarstellungen an so sieht man auch dies:

Den Sog der Wunde. Das Blut spritzt, schon damals - und wir sind live dabei.

Gibt es eigentlich  auch ein Zuviel an Bildern?

„Ehe die Bilder sterben  die Worte“ ließ die ostdeutsche Autorin Christa Wolf vor 25 Jahren ihre Romanheldin Christa T. sagen.

Ob sie Recht behalten hat?

 

Thomas will es genau wissen, das mit der Wunde, die Zeichen seiner Zeit, der Auferstehungszeit, die will er einfach nur begreifen.

Jesus tritt ihm entgegen. Ganz gerade richtet er den Zweifler auf. Der hält sich fest an ihm.

 

Liebe Gemeinde, ich muss gestehen, Thomas gefällt mir, aber irgendwie  macht er mir auch ein wenig Angst.

 

Er will den Auferstandenen berühren, wie ein Kind will er be-greifen, Jesu Merk-Male ertasten. Die Male an denen die Welt merkt: Er lebt.

 

Aber dann geschieht das eigenartige: Thomas berührt Jesus gar nicht.

Er greift nicht in die Wunde.

Denn Jesus begegnet ihm - das langt hin, das reicht aus

 

Jesus liest auf Thomas Stirn und hält seine Hände hin.

Thomas erschrickt, staunt und stammelt:

 „Mein Herr und mein Gott“.

Das platzt aus ihm heraus -

Er predigt. In ihm und aus ihm heraus beginnt  ein Neues: Leben.

Thomas ist der letzte Erste. Er allein ist so ergriffen, er allein erkennt so genau.

„Mein Herr und mein Gott“ - das ist sein positives Erschrecken, seine Neuerwerbung, sein Neues Sein.

 

Thomas begreift das Begreifen - „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Thomas begreift schlagartig und mit allen Sinnen. Ganz bei sich selbst ist er, als er das bekennt:

„Mein Herr und mein Gott“

 

Der ungläubige Thomas wird gläubig, oder: der zuletzt kommt, sieht nicht wenig.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist, als all die unsere Vernunft, der bestärke und bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

 

 

Begrüßung

 „Freude ist ein Zeichen das man dem Licht nahe ist“ Mit diesen Worten der Jüdin Edith Stein begrüße ich Sie zum 1. Gottesdienst nach Ostern.

Und so lassen sie uns nun diesen Gottesdienst feiern im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes

 

Gebet

Gott, aus der Nacht deiner Ostern heraus, sind wir ans Licht getreten.

Wir danken dir für die Auferstehung deines Sohnes.

Nach Ostern beginnen wir ein neues Leben.

Steh Du uns bei, sei unser Freudenmeister.

Der Stein ist weg gewälzt uns das Licht tritt hervor.

Gib Deinem Leben Raum in dieser Welt.

Tritt Du durch unsere verschlossene Türen

mit deinem neuen Frieden, der Ostern neu geworden ist

Mache  Du uns, Herr Gott zu unseren Zeiten zum Werkzeug deines Friedens.

 

Johanna Zeuner